Die-Eine-Million-Euro-Rede

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren,

 

wer ein Haus bauen will braucht ein Grundstück mit entsprechendem Bebauungsplan, die nötigen finanziellen Mittel und einen Plan, wie das Gebäude beschaffen sein soll – und zwar am besten in dieser Reihenfolge.

 

Wenn ein Bauherr ein Haus planen lässt, das nicht dem geltenden Bebauungsplan entspricht, so hat er ein Problem. - Es wäre eher ungewöhnlich, dass die Stadtverordnetenversammlung die Bebauungspläne an die Baupläne des Bauherren anpassen würde. - Dann könnte schließlich gleich jeder so bauen, wie er wollte. - Wenn ein Bauherr vom bestehenden Bebauungsplan abweichen will, so fragt er die Stadtverordnetenversammlung BEVOR er einen Plan erstellen lässt. Denn lehnt die Stadtverordnetenversammlung ab, müsste er andernfalls einen neuen Plan erstellen lassen, der ihm weitere Kosten verursacht.

 

Wenn ein Bauherr ein Haus planen lässt, ohne dass ihm die Bank einen Kredit über die benötigten finanziellen Mittel genehmigt hat, so hat er ein Problem. Hat ihm die Bank einen Kredit für die Umsetzung eines Bauvorhabens bewilligt, so sollte er kein Haus planen, das sich maßgeblich von den mit der Bank besprochenen Vorgaben entfernt und damit einen zusätzlichen Kredit nötig macht. Denn lehnt die Bank diesen weiteren Kredit ab, müsste er einen neuen Plan erstellen lassen, der ihm weitere Kosten verursacht.

 

Diese Grundlagen des Bauens scheinen bei der Stadt Lampertheim unbekannt zu sein. - Die Stadtverordnetenversammlung hat unter zahlreichen Zeugen an einem sonnigen Frühlingstag auf dem Europaplatz beschlossen, dass auf 795 qm eine 5-gruppige Kindergrippe für schätzungsweise 1,3 Millionen errichtet werden soll. Dass diese Kinderkrippe in Passivhausbauweise gebaut werden soll wurde bereits 9 Monate zuvor beschlossen. Anschließend ließ die Verwaltung in einem Architektenwettbewerb eine Kinderkrippe planen, die 935 qm groß ist und damit nicht nur dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung widerspricht, sondern auch dem zu dem Zeitpunkt bestehenden Bebauungsplan. - Im März diesen Jahres durfte die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan an den Kinderkrippenplan der Stadt anpassen. Hätten wir uns verweigert, hätte die Verwaltung einen neuen Kinderkrippenplan erstellen lassen müssen oder das Projekt wäre gestorben. Und wer hätte dann den Ärger in der Presse bekommen? Die Stadtverwaltung, die etwas plant, was gar nicht bestellt war oder die Stadtverordneten, die der Stadt durch ihr Beharren auf den bestehenden Bebauungsplan Mehrkosten verursachen bzw. die von allen gewünschte Kinderkrippe verhindern?

 

Jetzt präsentiert uns die Verwaltung die finanziellen Folgen der größer geplanten Krippe. Eine Million mehr an Steuergeldern soll die Stadtverordnetenversammlung für den Bau einer Kinderkrippe bereitstellen, obwohl sie eine Kinderkrippe dieser Größe nie beschlossen hat. In der Öffentlichkeit geistern die verschiedensten Gründe für die Mehrkosten. Zum einen hört und liest man, dass die Krippe größer gebaut werden müsste, weil es schärfere Vorgaben bezüglich der Gruppengröße durch die Landesregierung gab. Man kann die Landesregierung berechtigt für zahlreiche Probleme verantwortlich machen. Die Vorgaben bezüglich der Gruppengröße waren jedoch schon vor der Kostenschätzung auf 1,3 Millionen Euro bekannt. So bezog sich der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung auch auf den Bau einer 5-gruppigen Kinderkrippe für 1,3 Millionen Euro und nicht auf die 4-gruppige Kinderkrippe für 1,1 Millionen Euro oder die 3-gruppige Kinderkrippe für 900.000 Euro.

 

Als weiterer Grund werden um 20 Prozent höhere Kosten für die Passivhausbauweise der Kinderkrippe vorgebracht. Abgesehen davon, dass die Passivhausbauweise bereits im August 2008 und damit mehr als ein halbes Jahr vor dem Kostenvoranschlag beschlossen wurde, liegt eine Preissteigerung von 20 Prozent weit über den üblichen Mehrkosten für Passivhäuser, die von der IG Passivhaus mit 5-8 Prozent angegeben werden. Woher kommen demnach die Mehrkosten? Die Mehrkosten kommen zum einen durch den zusätzlichen Bau eines Mehrzweckraums, der zu einer Vergrößerung der Kinderkrippe führt. Zum anderen aber auch dadurch, dass das Gebäude wesentlich höher geplant wurde als kalkuliert. Auch höher als nötig? - Diese Frage kann ich nicht beantworten.

 

Bereits nach den Abstimmungen mit dem Kreisjugendamt, noch vor dem Architektenwettbewerb, hätte klar sein müssen, dass aufgrund der größeren Grundfläche der bestehende Bebauungsplan nicht eingehalten werden kann. Aber hat man uns informiert? Hat man uns zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung überlassen, ob wir den Bebauungsplan ändern wollen oder die Vorgaben an den bestehenden Bebauungsplan angepasst werden sollen? Nein, das hat man nicht.

 

Bereits nach den Abstimmungen mit dem Kreisjugendamt, noch vor dem Architektenwettbewerb, hätte klar sein müssen, dass aufgrund der größeren Grundfläche das von der Stadtverordnetenversammlung zur Verfügung gestellte Geld nicht ausreichen wird. Aber hat man uns informiert? Hat man uns zu diesem Punkt die Entscheidung überlassen, diese Mittel zur Verfügung zu stellen oder die Vorgaben so überarbeiten zu lassen, dass die kalkulierten Kosten sinken? Nein, das hat man nicht.

 

Die Verwaltung erwartet nun von uns, dass wir diesen Mehrkosten zustimmen. Sollten wir dem nicht folgen, riskieren wir bereits beantragte Zuschüsse in Höhe von 725.000 Euro. Und wer bekäme dann den Ärger in der Presse? Die Stadtverwaltung, die einfach im beschlussleeren Raum vor sich hin planen lässt ohne sich beim Stadtparlament die entsprechende Rückendeckung zu holen oder die Stadtverordneten, deren Verweigerung das Budget zu erhöhen einen großen finanziellen Zuschuss für die Stadt gefährdet, neue Planungskosten verursacht oder das Projekt Kinderkrippe sogar ganz gefährdet?

 

Fehler passieren überall und ich rechne es der Verwaltung hoch an, dass sie diesen Fehler eingesteht. Eine Million Euro sind ein großer Fehler. Was aber war der größere Fehler? Es war wieder einmal der Fehler im Umgang mit der Stadtverordnetenversammlung. Man hat uns nicht VOR der Kinderkrippenplanung um die Änderung des Bebauungsplans gebeten, sondern erst als eine Verweigerung neue Kosten verursacht hätte. Man hat uns nicht VOR der Kinderkrippenplanung um eine Erhöhung des Budgets gebeten, sondern erst jetzt nachdem die Pläne bereits stehen. Ich weiß nicht, wie Ihr Verständnis von Demokratie aussieht, aber meiner Ansicht nach hat ein Parlament, dem nur die Wahl bleibt die Entscheidungen der Verwaltung zu genehmigen, zumindest außerhalb des real existierenden Sozialismus seine Berechtigung verloren.

 

Zumal es nicht nur dabei bleibt. Denn wenn man sich heute kurz vor dem Ende der Legislaturperiode den Umgang der Verwaltung mit dem Parlament ansieht, muss man sich fragen, ob wir in Lampertheim der Verwaltung nicht die Alleinherrschaft überlassen sollten. Dann könnten wir uns eine Menge Arbeit sparen. Wir bräuchten keine Beschlüsse mehr zu fassen, die ohnehin nicht oder nur sehr schleppend umgesetzt werden, wie bei der Erdgastankstelle, der Erstellung des Energiesparkonzepts, der Benennung eines Lärmschutzbeauftragten, der Einführung des Bürgerhaushalts, der Biotopvernetzung oder dem Verfassen eines Demografieberichts. Wir bekämen auch keine so hilfreichen Auskünfte mehr, wie die Aussagen, dass Energiesparberatungen keine Energiesparberatung anbieten, oder dass man mit der Ermittlung der Telefonkosten zwei Mitarbeiter tagelang beschäftigen müsste, weshalb man uns aufgrund dieser Unverhältnismäßigkeit keine Informationen darüber geben könne. Wir müssten auch keine Aufgaben der Verwaltung mehr übernehmen, wie das Einholen von Angeboten günstiger Parkscheinautomatenanbieter oder Überschlagsrechnungen erstellen, die nachweisen, dass sich eine Friedhofsbewässerungsanlage trotz konsequenter Leugnung der Verwaltung nicht nur amortisiert, sondern bereits nach kurzer Zeit rund 16.000 Euro Steuergelder im Jahr einspart.

 

Wir müssten jetzt auch nicht der zusätzlichen Million Euro zustimmen für die die Verwaltung dann die alleinige Verantwortung übernehmen könnte. Aber ich glaube Lampertheim täte es nicht gut, wenn es uns Stadtverordneten nicht gäbe – zumindest bei unserer Fraktion bin ich mir da sicher. Wenn sich die Verwaltung an dieser Stelle grün ärgert und mir der Beifall aus allen Fraktionen zeigt, dass ich im letzten Haupt- und Finanzausschuss doch nicht so alleine stand, wie es vielleicht aussah, dann habe ich meine Arbeit als Stadtverordneter heute gut gemacht. Wir Stadtverordneten lassen uns nämlich auch nicht gerne am Nasenring durch die Manege ziehen.

 

Gregor Simon

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