2. Rede Sondernutzungssatzung

Dieser Tagesordnungspunkt wird mit Beratung behandelt, weil die CDU im
Haupt- und Finanzausschuss gegen die Vorlage gestimmt hat. Dies hat sie
mit unserem zuvor beschlossenen Änderungsantrag begründet, der eine
kostenfreie Plakatierung für Demonstrationen vorsieht. Warum haben wir
diesen Antrag gestellt?
Wir möchten eine Bürgergesellschaft. Politik findet nicht nur hier in
diesem Raum und auf den Fraktionssitzungen der Parteien statt. Politik
findet auch dann statt, wenn sich unzufriedene Bürgerinnen und Bürger
über die hier und an anderer Stelle fallenden Entscheidungen bzw.
möglichen Entscheidungen beschweren und diesen Unmut in organisierter
Weise zum Ausdruck bringen. Das Demonstrations- und Versammlungsrecht
ist verfassungsrechtlich geschützt. Demonstrationen und von Bürgern
veranstaltete Versammlungen gehören ebenso zu unserem demokratischen
System wie die Wahl von Parlamenten. Kritik ist nicht schön, aber notwendig.
Demonstrationen müssen organisiert werden und dazu gehört auch
Kommunikation. Gleichgültig ob diese über neue Medien wie Twitter oder
Facebook erfolgt oder über klassische Plakatwerbung. Eine Demonstration
von der keiner weiß, wird von niemandem besucht. Erst die neuen
elektronischen Kommunikationsformen haben es ermöglicht, dass es in
Nordafrika zu organisierten Bürgerprotesten kommen konnte. Die
Regierungen hätten das Aufhängen von Plakaten sicher nicht geduldet.
Man muss das Aufhängen von Plakaten jedoch nicht verbieten, um eine
Demonstration zu verhindern oder zu erschweren. Es kann auch genügen,
Privatpersonen für die Wahrnehmung ihres Demonstrationsrechts mit
Plakatgebühren zu belegen. Den Hartz IV-Empfänger möchte ich sehen, der
die Plakatgebühren für die Montagsdemonstrationen in seinem Regelsatz
vorfindet. Ich möchte den Geschäftsinhaber sehen, der den Aufruf zu
einer Demonstration gegen Parkgebühren in der Innenstadt auf eigene
Kosten plakatieren lässt, obwohl alle Geschäftsinhaber von der
Demonstration profitieren, sich aber nicht finanziell beteiligen wollen.
Gleichgültig ob es sich um eine Demonstration gegen Atomenergie, gegen
eine ICE-Trasse, gegen einen Flughafen Mannheim-Nord, gegen die Politik
der Lampertheimer Grünen oder gegen Parkgebühren in der Innenstadt
handelt – die Bewerbung dieser Demonstrationen sollte für die
Bürgerinnen und Bürger kostenfrei sein. Wir können froh sein über jeden,
der sich politisch engagiert.
Herr Hofmann hat sich in der Haupt- und Finanzausschussitzung an dem
Wort Willkür gestört, das ich im Zusammenhang mit der derzeitigen
Satzung vorgebracht habe. Dies sei wieder einmal eine Beschuldigung der
Verwaltung, die ich beweisen müsse. Ich habe bisher alle meine
Äußerungen beweisen können. Auch wenn man mir unterstellt hat, ich würde
aus der Luft gegriffene Behauptungen aufstellen. Was ist Willkür?
Willkür ist wertneutral aufgefasst die Entscheidungsfreiheit im
Gegensatz zur Notwendigkeit in bestimmter Weise zu verfahren. Die
Derzeitige Sondernutzungssatzung räumt der Verwaltung eine erhebliche
Entscheidungsfreiheit ein, wer verpflichtet wird Gebühren zu bezahlen
und wer kostenfrei davon kommt. Demnach kann man hier von Willkür
sprechen, da es alleine der Verwaltung obliegt zu entscheiden, wer
aufgrund des öffentlichen Interesses oder aus Billigkeit von den
Gebühren befreit wird. Ein Beispiel dafür ist, dass die im Jahr 2010
stattgefundene Antiatomkraftdemonstration für die Plakatierung zahlen
musste, die Antiatomkraftdemonstration 2011 von den Gebühren befreit
war. Zwei Demonstrationen zum gleichen Thema wurden rechtlich ungleich
behandelt und das bei unveränderter Satzung. Das widerspricht eindeutig
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, dem Gleichheitsgrundsatz.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte 1992:
„Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, daß eine Gruppe
von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von
solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche
Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72 88>). Die rechtliche
Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende
Stütze finden.“
Wo bitte ist der sachliche Unterschied zwischen diesen beiden
Antiatomkraftdemonstrationen? Sie haben gesagt, die Betroffenen könnten
gegen die Verwaltungsentscheidung klagen. Nachdem was ich gerade
erläutert habe, dürften sie gute Chancen haben, Recht zu bekommen. Es
kann jedoch in einem Rechtsstaat nicht angehen, dass dieser aufgrund
mangelhafter oder undurchschaubarer Rechtsvorschriften rechtswidrig
handelt und dann darauf verweist, die Betroffenen könnten schließlich
den Klageweg beschreiten. Genau das ist nämlich der Grund, weshalb die
überlasteten Sozialgerichte sich mit falsch erstellten Bescheiden von
Jobcentern beschäftigen müssen.
Es wird Sie jedoch vermutlich alle erstaunen, dass ich der Verwaltung
das willkürliche Verhalten gar nicht vorwerfe. Denn man kann im Falle
der Einzelbetrachtung der Entscheidungen der Verwaltung keinen
rechtlichen Vorwurf machen. Die derzeitige Satzung erlaubt es – je nach
Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „öffentliches Interesse“ – von
einer Antiatomkraftdemo Gebühren für die Plakatierung zu verlangen oder
auch nicht. Auch wenn wir die einzelne Entscheidung aufgrund einer
unterschiedlichen Auslegung kritisieren, so kann ich beim besten Willen
keinen Verstoß gegen die Sondernutzungssatzung durch die Verwaltung
erkennen. Es ist die Sondernutzungssatzung selbst, die rechtlich
fragwürdig ist, da sie – wie gesehen – trotz korrekter Anwendung zu
einem Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz führen
kann. Hier ist also die Politik gefragt, diese Satzung so zu
verabschieden, dass die Verwaltung eine möglichst klare
Verhaltensvorgabe hat. Unsere Formulierung ist eine Verbesserung, da sie
zum einen deutlich macht, dass kommerzielle Plakatierungen grundsätzlich
immer kostenpflichtig sind und Demonstrationen – sofern es sich nicht um
Schein-Demonstrationen handelt – grundsätzlich kostenfrei plakatieren
dürfen. Das schafft ein Stück Rechtssicherheit für die Antragssteller
und auch für die Verwaltung. Ich würde mich daher freuen, wenn die
vorliegende Fassung dieser Satzung eine breite Mehrheit finden würde.

 

Gregor Simon 

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